Bonus-Epilog - Im Takt des Outbacks
Die Eröffnung
Ella
Die ersten Gäste strömten bereits über den neu angelegten Weg Richtung Haupthaus. Das weiße Zeltdach, Stuhlreihen, Banner mit dem Resort-Logo erhoben sich davor. Alles war bereit für diesen großen Tag. Alles, außer vielleicht mein Mann, der gerade in einem Tempo über das Gelände stapfte, als müsste er noch die halbe Baustelle kontrollieren, bevor irgendjemand auch nur einen Fuß über die Schwelle setzte.
Bei seinem Anblick musste ich grinsen. Dieser Mann ... Kaum zu glauben, dass es bereits mehr als ein Jahr her war, als wir Richtfest gefeiert hatten. Wie er bei seiner Rede vor mir auf die Knie gegangen war und mir einen Antrag gemacht hatte. Noch heute fragte ich mich, was er sich dabei gedacht hatte. Ein Antrag – ausgerechnet auf dem Richtfest für das Resort, gegen das er sich so lange gesträubt hatte?
Andererseits stand das genau für uns. Für alles, was wir als Menschen und als Paar in den Monaten davor durchgemacht und erlebt hatten. Was uns unweigerlich zusammengeführt hatte.
Der Tag wurde nur noch davon gekrönt, dass in diesem Moment, als Ethan vor mir kniete und um meine Hand anhielt, meine Fruchtblase platzte und wir wenige Stunden später unsere Tochter begrüßen durften.
Der Höhepunkt unserer turbulenten Anfangszeit kam schließlich, als wir vor wenigen Monaten unsere Hochzeit hier auf unserer Farm feierten. Inmitten all des Chaos, das der Bau des Resorts mit sich brachte. Ich schnaufte. Was ich mir dabei gedacht hatte, mit einem Baby und einem Projekt dieses Ausmaßes eine Hochzeit zu planen, erschloss sich mir bis heute nicht. Ein Hoch auf Claire und meine Mutter, die von New York aus alles, so gut es ging, organisierten. Und sich auch nicht zu schade waren, Missy, unsere treue Seele im Farmhaus, mit in die Planung einzubeziehen.
Das Ergebnis hatte sich sehen lassen. Ein wehmütiges Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als ich an den Tag zurückdachte. An das weiße Zelt, ähnlich dem heutigen, direkt neben der Terrasse hinter unserem Haus aufgebaut. Den Blumenschmuck aus Wildblumen. Ava im winzigen Kleidchen auf Claires Arm. Meine Eltern und mein Bruder, die aus New York angereist waren, Ethans Eltern, Josh, Jack, Samantha.
Es war genau richtig gewesen. Chaotisch, laut, wunderschön. Und vollkommen unser. Ein perfekter Tag.
»Ethan Shaw, wenn du jetzt noch ein einziges Mal an diesem Kabel rüttelst, schicke ich dich persönlich nach Brisbane, damit du dort das Stromnetz überprüfst! Dann kannst du uns hier wenigstens nicht mehr in den Wahnsinn treiben.« Samanthas Stimme riss mich ruckartig aus meinen Erinnerungen. Sie stand mit einem Funkgerät in der Hand am Eingang des Zelts. Ihr Kleid flatterte im Wind und die Miene war so streng, dass selbst Ethan innehielt.
»Es hängt schief«, grummelte er wie ertappt.
Manchmal fragte ich mich ernsthaft, wer von den beiden der Chef und wer die Angestellte war.
»Es hängt überhaupt nicht schief. Das ist die Wasserwaage in deinem Kopf, die immer noch auf Farmbetrieb eingestellt ist. Das hier ist ein Luxusresort, kein Kuhstall.«
Ich musste lachen. Sam war seit Monaten die heimliche Königin dieses Projekts und ganz sicher die Rettung all unserer Nerven. Ihre Stimme war über das halbe Gelände zu hören, ihre To-do-Listen legendär. Und dass sie es tatsächlich schaffte, Ethan in seine Schranken zu weisen, machte sie zu meiner persönlichen Heldin.
»Mamaaaa!« Ein kreischendes Brabbeln ließ mich herumfahren. Meine Tochter kam auf wackeligen Beinen quer über den frisch geharkten Kiesweg auf mich zugelaufen. Die blonden Löckchen klebten ihr an der Stirn, in der Hand hielt sie triumphierend einen Keks. Wo auch immer sie den herhatte.
»Ava, wo hast du den her?« Ich ging in die Hocke, gerade rechtzeitig, um sie abzufangen, bevor sie frontal gegen einen Deko-Blumentopf gelaufen wäre.
»Von mir.« Jack tauchte hinter ihr auf, eine Hand am Cowboyhut, die andere mit einer Keksdose in der Hand. »Hab gedacht, das Kind braucht Nervennahrung. Ganz die Mutter.«
»Jack!« Ich versuchte streng zu klingen, aber bei dem Anblick, wie er sich widerwillig von Ava an der Hose festhalten ließ, schmolz ich innerlich dahin. »Du kannst ihr doch nicht ständig Essen zustecken.«
»Hab ich bei den Kälbern auch so gemacht«, brummelte er. »Guck sie dir an, sie läuft wie ein Weltmeister. Funktioniert also.«
Ich verdrehte die Augen. Ethan kam in diesem Moment dazu, warf einen Blick auf seine Tochter und seufzte. »Jack, wenn sie gleich den Teppich im Eingangsbereich vollkrümelt, bist du derjenige, der ihn wieder sauber macht.«
Jack grinste breit. »Mach ich. Hab schon Schlimmeres geputzt. Weißt du noch, die Sache mit den drei Kälbern und dem Sack Körner ...«
»Nicht. Jetzt.« Ethan hob warnend den Finger.
Ich lachte und nahm Ava auf den Arm, die sofort meinen Ohrring ins Visier nahm und danach griff. »Ich sehe schon, die Stimmung ist bestens.« Gemeinsam überquerten wir das Gelände und bahnten uns einen Weg zum Festzelt.
Während die Gäste langsam Platz nahmen, schweifte mein Blick über die Anlage. Das Haupthaus glänzte – buchstäblich. Holz, Glas, Licht, alles so, wie ich es monatelang in meinem Kopf entworfen hatte. Der Eingangsbereich war offen gestaltet, mit hohen Deckenbalken aus regionalem Holz, Panoramafenstern zum Outback hinaus und einer Deckenkonstruktion, die der Silhouette eines Kängurus nachempfunden war.
Links davon führte der Weg zum Spa: Natursteinwände, Eukalyptusdampfbäder, ein Infinitypool mit Blick über die Weite. Rechts die Restaurants: Eins fine dining, eins rustikaler mit Grillgerichten. Die Villen lagen versetzt an den Hängen, jede mit eigener Terrasse, Privatsphäre und weitem Blick über die Landschaft.
Noch war nicht alles perfekt. Eine Sicherung war erst vor einer halben Stunde beim letzten Testdurchlauf im Restaurantbereich gesprungen. Die Klimaanlage an der Rezeption hatte bis heute Vormittag noch gezickt. Und Sam fluchte verhalten neben dem Zelt, weil eines der Transportfahrzeuge im Sand stecken geblieben war.
Aber das war egal.
Alles, was zählte, war dieser Moment.
»Danke, dass ihr heute hier seid.« Ethan stand am Podium, das Mikro in der Hand. Jeans, weißes Hemd, die Ärmel hochgekrempelt. Meine Nerven lagen blank, aber er sah aus, als hätte er nie etwas anderes getan, als vor Hunderten Menschen zu sprechen. »Dieses Land ist seit Generationen in meiner Familie. Ich habe gelernt, es zu lieben, zu verteidigen. Und gegen so manche Veränderung zu kämpfen. Als dieses Projekt an mich herangetragen wurde, war ich mir nicht sicher, ob es das Richtige war. Aber manchmal … muss man die Zügel ein Stück weit loslassen, um zu sehen, wohin der Weg einen führt.«
Er hob den Blick. Direkt zu mir. Und in diesem Moment war es, als wären wir allein. Als würde er nur zu mir sprechen und all die anderen Anwesenden keine Rolle spielen.
»Ella hat mir gezeigt, dass Neues nicht bedeutet, Altes zu verlieren. Sondern dass beides zusammen wachsen kann. Dieses Resort ist nicht nur ein Ort für Gäste, die hierherkommen, um ihrem Alltag für eine Weile zu entfliehen und aufzutanken. Es ist unser Zuhause. Ein Zuhause für meine Familie. Für unsere Tochter. Und – wenn ihr mich fragt – für noch vieles mehr, was wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.«
Die Gäste applaudierten, während ich mir verstohlen eine Träne wegwischte und der Liebe meines Lebens vorn am Podium ein Lächeln voller Dankbarkeit schenkte.
Bis mich ein lautes »DA-DA!« von meiner Hüfte aus dem Blickkontakt mit Ethan riss. Ich sah zu dem Wirbelwind hinunter, wo Ava mit beiden Händchen wild in Richtung ihres Daddys ruderte. Die Menge lachte, ebenso wie Ethan. In seinen Augen ein Blick, der mir zeigte, dass sein Leben vollkommen war und er sich genau am richtigen Ort mit den richtigen Menschen befand.
Mir ging es nämlich genauso.
Am Abend, als die Sonne langsam über der Farm versank und der Himmel in Gold und Rosa brannte, saßen wir mit Jack, Samantha, Josh und ein paar weiteren Freunden auf der Veranda des Resorts. Musik klang leise aus geschickt platzierten Lautsprechern, während Ava auf Ethans Schoß eingeschlafen war.
»Ich sag euch, das hier wird laufen wie geschmiert«, verkündete Jack und prostete uns zu, dem lokalen Bier eindeutig zugetan. Ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen. »Und wenn nicht, dann eröffnen wir halt einen Kindergarten. Ava macht sich jetzt schon gut als Geschäftsführerin.«
Ethan verzog das Gesicht. »Die Einzige, die sie gerade den lieben, langen Tag managt, bist du. Und das auch nur, weil du ihr ständig Kekse zusteckst.«
Jack lachte. »Tja, Bestechung funktioniert bei Kühen, warum nicht auch bei Kleinkindern?«
Ich lachte und legte den Kopf an Ethans Schulter, glücklich und erschöpft von dem erfolgreichen Tag.
Ethan senkte den Blick zu mir, küsste mein Haar und blieb einen Moment still. Dann sagte er: »Weißt du, was das Beste an all dem ist?«
Ich grinste. »Dass du endlich eingesehen hast, dass mein Design nicht so verrückt war, wie du dachtest?«
Sein Lachen vibrierte gegen meine Schläfe. »Das auch. Aber eigentlich … dass wir hier sitzen. Zusammen. Mit Freunden, mit unserer Tochter. Und dass ich endlich nicht mehr das Gefühl habe, gegen etwas zu kämpfen. Sondern für etwas.«
Ich schloss die Augen, sog die warme Abendluft des Outbacks ein und dachte: Genau das war es.
Jennas Kaffeekasse
Wenn ihr das Bedürfnis habt, euch für meine Arbeit bedanken zu wollen, ladet mich gerne auf einen Kaffee ein. Ich danke euch!