Leseprobe Im Takt des Outbacks

Down Under Dreams 1

Leseprobe Im Takt des Outbacks

Kapitel 1


Ella

Von allen Orten auf der Welt, die ich bislang für meine Arbeit besuchen durfte, hatte mich keiner so schnell in seinen Bann gezogen wie dieser. Das lag nicht etwa an der flimmernden Luft, die mir mit ihren siebenunddreißig Grad Celsius gefühlt die Fähigkeit zum Atmen nahm. Es lag auch nicht an dem Staub, der sich direkt nach meiner Ankunft auf meine Pumps gelegt hatte. Und nun mit der ikonischen Sohle meiner Louboutins in Wettstreit trat, wer das markantere Rot von beiden hatte.

Nein, es lag an der schier unendlichen Weite, die sich im rostroten Glanz vor meinen Augen erstreckte und einfach nicht aufzuhören schien. Die mir das Gefühl gab, winziger als ein Staubkorn in der nicht enden wollenden Wüste zu sein. Die meine Probleme in der flirrenden Hitze des Sommertags im australischen Outback mit einem einzigen Blick auf die Natur vor mir in Luft auflöste.

Puff.

Weg war all der Frust darüber, dass man es als Frau in dieser – wie in so vielen anderen – Branchen doppelt so schwer hatte, sobald große Summen im Spiel waren. Nur weil man eine Vagina hatte und keinen Schwanzersatz auf vier Rädern brauchte.

Weg waren die Erinnerungen an die Scheidung, die mich ein Vermögen gekostet hatte. Ein Vermögen, welches ich mir mit harter Arbeit seit dem ersten Tag nach meinem Collegeabschluss aufgebaut hatte. Von dem Stolz, den es mich gekostet hatte, wollte ich gar nicht erst anfangen.

Weg war die Demütigung darüber, dass ich mit achtunddreißig Jahren wieder von vorn anfangen musste.

Doch kaum hatte mich der erste heiße Windstoß wie eine Welle überrollt, war für einen Moment auch der Zweifel zurückgekehrt, der mich seit Wochen genauso begleitete wie die Vorfreude auf diesen neuen Auftrag. War es ein Fehler gewesen, ihn anzunehmen? Ich hatte keine Sekunde gezögert, als die Ausschreibung auf meinem Schreibtisch gelandet war. Ein Resort im Outback, das Tradition und Moderne verbinden sollte. Nachhaltigkeit inklusive? Das war wie für mich gemacht.

Nicht zu vergessen die Symbolik. Es war mein erster großer Auftrag nach der Scheidung. Ein Beweis dafür, dass ich allein genauso erfolgreich sein konnte wie früher, als noch ein vermeintlich liebender Ehemann mir den Rücken bei meinen zahlreichen Prestigeprojekten gestärkt hatte.

Nein, noch viel erfolgreicher.

Aber dann waren die Details zutage getreten. Die schiere Abgeschiedenheit des Projekts. Die Gerüchte in der Szene über einen widerspenstigen Eigentümer, der das Projekt offenbar nur widerwillig genehmigt hatte. Und natürlich der Umstand, dass ich mich ans andere Ende der Welt begeben musste, um alles zu beaufsichtigen.

»Was tust du da, Ella?«, hatte mich meine beste Freundin Claire, gefragt, die als Innendesignerin für die Schönen und Reichen in New York tätig war und die ich schon aus Studienzeiten kannte. »Hast du nicht schon genug hinter dir? Warum musst du dich auch noch ins australische Nirgendwo versetzen lassen?«

Damals hatte ich gelacht und geantwortet: »Weil ich mich beweisen will, Claire. Und weil ich keine Angst vor einem Neuanfang habe.«

Jetzt, im glühenden Staub des Outbacks, war ich mir plötzlich nicht mehr so sicher.

Es fühlte sich an, als hätte ich nicht nur eine Ranch, sondern die Wildnis selbst betreten. Von den gefährlichen Tieren, die im Outback lebten, ganz zu schweigen.

Tief holte ich Luft, um mich nicht in dem Strudel aus Selbstmitleid und Reue zu verlieren. Und wurde prompt mit einem Gefühl belohnt, das ich sonst nur von Saunabesuchen kannte, so selten ich sie mir auch gönnte. Dafür war mein Kalender als Architektin und Expertin für nachhaltige Luxusprojekte das ganze Jahr über zu sehr gefüllt.

»Das Outback kann einen ganz schön umhauen, oder?«

Nur meine jahrelange Übung im professionellen Auftreten hielt mich davon ab, bei der tiefen Stimme, die plötzlich neben mir erklang, wie ertappt zusammenzuzucken.

»Zumindest kein Anblick, den man jeden Tag sieht, wenn man nicht gerade hier wohnt«, erwiderte ich, während ich mich mit einem höflichen Lächeln zur Seite drehte. Gleichzeitig streckte ich meine Hand aus. »Ella Carter.«

»G’day, Ella. Ich bin Ethan.«

Definitiv ein weiteres Novum in der Liste meiner nicht unerheblichen Projekterfahrungen. Bislang konnte ich nicht behaupten, dass sich ein Auftraggeber bei mir mit einer lokalen Floskel und lediglich seinem Vornamen begrüßt hatte.

Dass die Australier die lebende Definition von laid back waren, schien sich bereits in der ersten Viertelstunde nach meiner Ankunft zu bewahrheiten.

Langsam ließ ich den Blick über den Mann vor mir gleiten, während er meine Hand schüttelte. Und kam nicht umhin, seine von körperlicher Arbeit raue Haut zu bemerken, als sich seine Hand um meine schmiegte, sie förmlich in seiner zu verschlucken schien.

Er war mehr als einen Kopf größer als ich, hatte ein markantes, von der Arbeit unter freiem Himmel gebräuntes Gesicht und sah aus stahlgrauen Augen zu mir herunter. Unter seinem Cowboyhut blitzten dunkelblonde Haare hervor. Seine Füße steckten in staubigen Arbeitsstiefeln. Den Rest seines muskulösen Körpers, wie ich nicht umhinkam, zu bemerken, zierten ein Arbeitshemd mit bis zu den Ellenbogen hochgekrempelten Ärmeln und beige Cargoshorts.

Bislang hatte ich nicht gedacht, dass mir ein Mann wie er den Atem rauben konnte. Schließlich war Richard Anwalt. Und auch in den Beziehungen vor meiner Ehe war nichts von Blaumännern, Flanellhemden und ausgewaschenen Jeans zu sehen gewesen.

Trotzdem schob ich die Dürre in meinem Mund auf die vorherrschenden Temperaturen.

Peinlich berührt räusperte ich mich und ließ schnell die Hand los, als ich feststellte, dass ich sie noch immer umklammerte. Ein winziges Zucken am Rand des Mundes offenbarte mir, dass mein kläglicher Versuch, professionelle Distanz zu wahren, nicht unbemerkt an meinem Gegenüber vorbeigegangen war.

Aber während ich ihn so betrachtete, entging mir nicht, wie sehr er in diese Umgebung passte. Ein Mann, der Teil des Landes zu sein schien.

Und ich konnte nicht verhindern, dass ein Teil von mir sich fragte, wie es wohl gewesen wäre, hier aufzuwachsen und zu leben.

Als gebürtige New Yorkerin eine beinahe utopische Vorstellung.

Weite Felder, eingefasst von sanften Hügeln. Die Hitze, die einem alles abverlangte, aber auch den Blick dafür schärfte, was wirklich wichtig war. Ich hatte noch nie einen Fuß nach Australien gesetzt, geschweige denn einen so abgelegenen Ort aufgesucht. Ich war das Mädchen, das mit seinen Eltern durch Manhattan geschlendert war und das College in Boston absolviert hatte. Und dann von Metropole zu Metropole gereist war, um mit Luxusprojekten ein Vermögen zu verdienen.

Was wusste ich schon von diesem Ort? Von den Menschen, die ihn ihre Heimat nannten?

Und was waren das überhaupt für Gedanken, die mir nur Minuten nach meiner Ankunft durch den Kopf schossen?

»Du bist also diejenige, die aus einer einfachen Kuhfarm ein Luxusresort zaubern möchte?«

Ja, da klang eindeutig Sarkasmus aus seiner tiefen Stimme. Ein unheilvolles Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus.

»Dafür haben Sie mich schließlich beauftragt, Mr Shaw«, antwortete ich mit einem aufgesetzten Lächeln.

Statt einer Antwort ertönte nur ein nichtssagendes Brummen. Wollte er mich etwa nicht hier haben? Dabei war er doch derjenige gewesen, der mich beauftragt hatte. Ich hatte mich ihm bestimmt nicht aufgedrängt. Lediglich genau wie jede andere Firma mein Angebot und Konzept unterbreitet, als die Ausschreibung in meiner Inbox gelandet war. Und schließlich die Zusage von einem Mr Ethan Shaw erhalten.

Irgendetwas passte hier nicht zusammen.

Ethan schob den Cowboyhut ein wenig nach hinten, sodass ich einen besseren Blick auf sein Gesicht hatte. Ein Fehler, wie sich herausstellte, denn die Härte in seinen Augen ließ mir das freundliche Lächeln beinahe gefrieren.

»Ich war das nicht«, erklärte er knapp, den Blick unverwandt auf mich gerichtet.

»Wie bitte?« Ich spürte, wie mein professionelles Pokerface einen Riss bekam, und kämpfte gegen den Impuls, die Stirn zu runzeln.

»Ich habe dich nicht beauftragt«, wiederholte er, diesmal deutlicher, und schob dabei die Hände in die Taschen seiner Shorts.

Ein kleiner Lufthauch wirbelte den roten Staub um uns auf, und nicht zum ersten Mal, seit ich angekommen war, bereute ich die Entscheidung, meine besten Pumps zu tragen.

»Aber ... die Zusage kam doch von Ihnen«, widersprach ich und warf einen schnellen Blick in Richtung Handtasche, in der mein Handy verstaut war. Nicht, dass ich hier anfangen würde, E-Mails zu durchforsten. Aber es beruhigte mich irgendwie, zu wissen, dass ich die Beweise hatte.

Ethan hob eine Augenbraue. Gleichzeitig spielte ein Lächeln um seine Lippen, das alles andere als freundlich wirkte. »Die Zusage kam wahrscheinlich von meinem Geschäftspartner, aber nicht von mir. Ich habe keinen Finger dafür gerührt.«

Das war ... interessant. Und beunruhigend. Vor allem, wenn man bedachte, dass ich meine nächsten Wochen hier verbringen und mit ihm zusammenarbeiten sollte.

»Nun«, begann ich und hob mein Kinn, um das Gefühl, völlig fehl am Platz zu sein, zu überspielen, »dann ist es wohl an der Zeit, dass wir miteinander reden und Ihre Erwartungen an dieses Projekt klären.«

»Erwartungen?« Sein Lächeln machte einer Grimasse Platz, die das unwohle Gefühl in meinem Magen nur noch verstärkte. »Meine Erwartung ist, dass das ganze Projekt gar nicht erst stattfindet.«

Ich war so perplex, dass ich für einen Moment nur stumm blinzelte.

Das Resort sollte auf seiner Ranch gebaut werden. Er war der Eigentümer. Warum zur Hölle hatte er zugestimmt, wenn er gar nicht wollte, dass es umgesetzt wurde?

»Ich verstehe nicht ganz ...«, setzte ich an, doch Ethan unterbrach mich mit einer knappen Geste.

»Das dachte ich mir«, sagte er trocken. »Aber es ist nicht meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass du es verstehst. Solange du dich an die Regeln hältst und keinen Unsinn auf meiner Farm treibst, kannst du machen, was du willst.«

Wie aus dem Nichts tauchten plötzlich all die anderen Projekte vor meinem inneren Auge auf, die ich in den letzten zehn Jahren betreut hatte.

Hotels, Residenzen, Wellnessoasen. Es gab immer den gleichen Ablauf. Die Eigentümer schalteten eine Ausschreibung, ich bewarb mich mit einem Konzept, von dem ich wusste, dass es das Beste für die jeweilige Location war, und bekam den Auftrag.

Aber es gab einen riesigen Unterschied zwischen den Geschäftsleuten, die nur das Beste für ihr Portfolio wollten, und den Menschen wie Ethan, die mit ihrem ganzen Leben an einem Stück Land zu hängen schienen.

Ich dachte an dieses eine Projekt in der Toskana zurück, bei dem ich fast einen ähnlichen Konflikt erlebt hätte. Doch der Eigentümer hatte sich schnell von meinem Enthusiasmus überzeugen lassen.

Ethan schien nicht der Typ dafür zu sein, vermutete ich mit einem Anflug von Panik.

Er war nicht nur eine Herausforderung. Er war eine wandelnde Barrikade.

Ich öffnete den Mund, um irgendetwas zu erwidern. Doch er hatte sich bereits umgedreht und ging in Richtung eines rostigen Pick-ups, der am Rand der Einfahrt parkte.

»Mr Shaw!«, rief ich ihm hinterher, was ihn dazu brachte, noch einmal stehenzubleiben.

»Ethan«, korrigierte er mich mit einem sarkastischen Unterton. »Wir haben’s hier nicht so mit Formalitäten.«

»Ethan«, wiederholte ich und biss die Zähne zusammen. »Ich habe keine Ahnung, was hier schiefgelaufen ist, aber ich bin nicht hier, um dir oder deiner Ranch zu schaden. Vielleicht sollten wir einfach ... von vorn anfangen?«

Er sagte nichts, sah mich nur einen Moment an, als überlegte er, ob ich es wert war, sich die Mühe zu machen. Schließlich nickte er kurz, als ob er einen inneren Kompromiss eingegangen wäre. »Dann fang am besten damit an, dich umzusehen und mit meinen Leuten zu sprechen. Vielleicht bekommst du dann ein Gefühl dafür, warum ich denke, dass dieses Resort eine schlechte Idee ist.«

Er kletterte in den Pick-up, startete den Motor und ließ mich in einer Wolke aus rotem Staub stehen, bevor ich auch nur eine Erwiderung formulieren konnte.

Am Rande bemerkte ich, wie mein Puls in die Höhe gestiegen war. Vor Wut, Frustration. Und etwas anderem, das ich nicht ganz benennen konnte.

Mit einem Seufzen straffte ich die Schultern und drehte mich zurück zu der Aussicht, während ich den Blick in Gedanken verloren schweifen ließ.

Vielleicht war Ethan ein Mann, der zu tief in seinen Prinzipien verwurzelt war. Der nicht sehen konnte, dass dieses Projekt der Schlüssel war, um seine Farm aufs nächste Level zu heben und rentabel für die Zukunft zu machen. Aber ich wusste, dass ich meine Arbeit gut machen würde. Besser als jeder andere in diesem Bereich.

Das Outback mochte meine Pumps in Rekordzeit ruiniert haben. Aber es würde nicht meinen Willen brechen.

Willkommen im Outback, Ella.

Mit dem Handrücken fuhr ich mir über die Stirn, um den Schweiß wegzuwischen.

Nein, es würde definitiv kein einfacher Auftrag werden.


Claire: Bist du gut angekommen?

Ella: Kommt drauf an, wie man es sieht …

Claire: Ist das Ende der Welt doch nicht so charmant, wie du mir einreden wolltest?

Ella: Es ist das Outback, nicht das Ende der Welt. Und ehrlich gesagt, eher der Besitzer der Farm ist das Problem.

Claire: Was hat er getan? Muss ich ihm einen Besuch abstatten?

Ella: Ich bin hier wohl nicht ganz so willkommen, wie ich dachte. Aber egal. Am Ende habe ich sie bisher immer alle dazu gebracht, zu tun, was ich will.

Claire: So will ich dich hören. Du packst das. Und wenn nicht: Ich bin nur einen Anruf entfernt.

Ella: Was würde ich bloß ohne dich machen?

Claire: Das wirst du nie herausfinden müssen. Versprochen.


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